Schwindel
Unterscheidung akuter vs. chronischer Schwindel → chronischen Schwindel erneut einbestellen und ausführliche Diagnostik:
- Geri-Assessment mit Fokus auf Mobilität:
- Timed-up-and-go, Tandem, Romberg usw. (unter ärztlicher Beobachtung)
- Gang anschauen
- Schwindelfragebogen
- Stürze abklären: wann, wie, wie oft?
- komplette Medikation (auch OTC) durchschauen
- Vorerkrankungen, insbesondere auch Bewegungsapparat (z.B. Hüft-TEP)
- KUB:
- Herz-Kreislauf: RR, (kleiner) Schellong, Cor
- Bewegungsapparat: Beweglichkeit, Kraft, HWS
- Neurologie: Reflexe, Sensibilität, Okulomotorik, Finger-Nase, Hör- und Sehvermögen (orientierend)
Diagnostik
Anamnese
4 Fragen:
- zeitlicher Verlauf:
- plötzlicher Beginn?
- persistent oder attackenweise?
- Art: Dreh-, Schwank- oder Benommenheitsschwindel oder eher Gangunsicherheit
- modulierende Faktoren, z.B.:
- Lageänderung
- bestimmte Aktivitäten
- Begleitsymptome
- Geräusche oder Hörminderung
- Doppelbilder oder andere Sehstörungen
- Kopfschmerzen
- Übelkeit/Erbrechen
Bei geriatrischen Patienten:
- Gangprobleme/-unsicherheit?
- Schwindelfragebogen
- Stürze? (Bewusstseinsverlust?)
- komplette Medikation (auch OTC)
Körperliche Untersuchung
Allgemein:
- RR, Cor
- HWS
- Reflexe, Sensibilität
Untersuchung der vestibulären, okulomotorischen und zerebellären Systeme
- Okulomotorik:
- Nystagmus (spontan oder nach Lagerung), ggf. mittels M-Brille/Frenzelbrille
- Blickfolge (sakkadiert, insbesondere bei Mikroangiopathie)
- Sakkaden
- horizontale/vertikale Abweichungen
- VOR (vestibulo-okulärer Reflex): mittels Kopfimpulstest (=Puppenkopf) → Störung Gleichgewichtsreflex
- Stand- und Gehvermögen (z.B. Romberg, Unterberger)
- Diadochokinese, Finger-Nase- oder Knie-Hacken-Versuch
- orientierende Prüfung auf Hör- und Sehstörung
Bei V. a. BPPV: Lagerungs-Versuch nach Dix-Hallpike
Bei geriatrischen Patienten: geriatrisches Assessment.
Apparate Untersuchungen
- Schellong oder Schellong verkürzt: RR im Liegen und im Stehen (an verschiedenen Tagen)
- NLG bei V. a. PNP
- Video-Kopfimpulstest (für VOR)
- kalorische Prüfung
Diagnosekriterien der Bárány Society
Einteilung
OHNE organische Ursache
- Funktioneller Schwindel
- Altersschwindel
Funktioneller Schwindel
= persistent postural-perceptual dizziness” (PPPD) (postural = die Körperhaltung betreffend, perceptual = wahrnehmend)
- persistierender Schwindel und/oder Unsicherheit an den meisten Tagen, ≥ 3 Monaten
- spontanes auftreten, evtl. verstärkt durch aufrechte Körperposition, Körperbewegungen, bewegende visuelle Stimuli
- merkliche funktionelle Beeinträchtigung
- nicht besser erklärbar durch eine andere Erkrankung
- mehr oder weniger permanenten Schwank- oder Benommenheitsschwindel
- Besserung:
- während sportlicher Betätigung
- bei Ablenkung
- Genuss kleinerer Alkoholmengen
- am Morgen meist geringer
- Verschlechterung:
- in bestimmten Situationen
Schwindel im Alter
Zusammentreffen mehrerer, leicht ausgeprägter Störungen der Gleichgewichtswahrnehmung und Verarbeitung
MIT organischer Ursache
- zervikogener Schwindel
- peripherer Schwindel inkl. BBPV (s.u.)
- Weitere: Orthostase, Rhythmusstörungen, Polyneuropathie, Medikamentennebenwirkung, zentraler Schwindel, Migräne, M. Menière, obstruktive Herzerkrankungen
zervikogener
Peripherer Schwindel
- unilaterale Vestibulopathie / Neuritis vestibularis:
- akut einsetzender Drehschwindel
- Oszillopsien
- Fallneigung
- Übelkeit
- horizontal-torsioneller Spontannystagmus mit schneller Komponente zur mutmaßlich nicht betroffenen Seite auffällig.
- bilaterale Vestibulopathie (Ausfall N. vestibularis oder Vestibularorgan):
- Gangunsicherheit
- bewegungsinduziertes unscharfes Sehen
- Verschlechterung bei fehlender visueller Rückkopplung (Dunkelheit, unebener Boden)
- Keine Symptome: im Sitzen/Liegen unter statischen Bedingungen
- Vido-VOR pathologisch, klinischer VOR nur niedrige Sensitivität
- peroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)
- M. Menière:
- ≥ 2 spontan auftretende Schwindelattacken, 20 min bis zu 12 h Dauer
- Hörminderung für Frequenzen < 2 000 Hz Knochenleitung
- fluktuierender Tinnitus oder Ohrdruck im betroffenen Ohr
- andere (seltene)
Zentraler Schwindel
- Zerebrale Ischämien (Hirnstamm oder Kleinhirn) als akutes vestibuläres Syndrom
- Drehschwindel wie bei Neuritis vestibularis
- Begleiterkrankungen / Risikofaktoren beachten
- vertikale Divergenz („skew deviation“): ein Auge steht über dem anderen
- nicht durch Fixation unterdrückbarer Nystagmus
- normaler VOR
- vestibuläre Migräne
- ≥ 5 Schwindel-Episoden, 5 min bis 72 h
- bekannte Migräne
- weitere Migränesymptome in ≥ 50% der Episoden
- zerebellärer Schwindel:
- zentrale Okulomotorikstörung: sakkadierte Blickfolge, allseitiger Blickrichtungsnystagmus, zentraler Fixationsnystagmus, insbesondere Downbeat-Nystagmus
Therapie
- BPPV: Befreiungsmanöver nach Epley
- M. Menière:
- Placebo sehr gut wirksam ! z.B. Betahistin als Placebo-Ersatz
- transtympanale Gabe von Gentamicin, aber Cave: 20% ototoxische Hörminderung!
- transtympanale Gabe von Kortikosteroiden
- ggf. operativ
- Funktioneller Schwindel:
- Durchführung der vollständigen Diagnostik befreit den Patienten von der Angst, dass die Beschwerden auf einer organischen Erkrankung beruhen
- Psychoedukation: Mechanismus der Erkrankung erklären
- regelmäßiger Sport
- ggf. vestibuläre Rehabilitation
- Gleichgewichtsübungen, KG